651
Die Kunde von Neckers Entlassung, welche sich am 12. Juli,
an einem Sonntage, in Paris verbreitete, steigerte die Gährung zu Erstürmung
einem fürchterlichen Grad. Die Theater wurden, wie bei einer allge- dcrvumc.
meinen Trauer, geschloffen, uüd der Pöbel trug unter unaufhörlichem
Geschrei die mit Flor umwundenen Büsten Necker's und des Herzogs
von Orleans durch die Gassen. Die Truppen waren auf mehreren
Punkten der Umgegend planlos aufgestellt, und die Befehlshaber erwar-
teten Befehle. Eine Abtheilung eines deutschen Reiterregiments wurde
unter Anführung des Prinzen Lámbese abgeschickt, die Ruhe herzu-
stellen; aber die in die Luft geknallten Pistolenschüsse vermehrten nur den
Uebermuth des Pöbels. Endlich brach der Unwille der Soldaten gegen
Unschuldige los, und einige Spaziergänger wurden mit Mißhandlungen
auseinander getrieben. Mit großen Uebertreibungen wurde das in das
Palais-royal gemeldet. Da springt Camille Desmoulins, ein
junger Advokat, auf einen Tisch, eine Pistole in der einen Hand, in
der andern einen bloßen Degen; er spricht von den Gräueln der Tyran-
nei und schreit: „Zu den Waffen, zu den Waffen." Noch an demselben
Abend wurden die Werkstätten der Waffenschmiede geplündert. Die
Wahlmännec von Paris hatten den Magistrat verdrängt und sich auf
dem Rathhause zu einer Behörde gestaltet. Sie gaben den Befehl zur
Bewaffnung des Volkes und ließen einen Saal mit alten Waffen öffnen.
In der Nacht strömte von allen Seiten Raubgesindel herbei, um Beute
zu machen.
Am Morgen des 13. ertönten die Sturmglocken; die Mauthhäuser
wurden in Brand gesteckt und mehrere Warenlager geplündert. Die
Wahlmänner beschließen die Errichtung einer Bürgermiliz von
48,000 Mann. Um die Bewaffnung der tobenden Menge zu hintertrei-
den, ließ Flesseleß, ein Mitglied des Magistrats, an mehreren Orten
nach Waffen suchen, die angeblich da versteckt sein sollten, machte sich
aber durch diese Täuschung als Volksfeind verdächtig. Am Morgen deß
14. Juli fand ein Volkshause im Hotel der Invaliden einen Vorrath
von 30,000 Flinten. Nahe dabei, auf dem Marsfeld, standen meh-
rere Regimenter Schweizer aufmarschirt, aber ihr Befehlshaber Be-
sen val hatte keine Anweisung. Gewalt zu gebrauchen. Die Soldaten,
welche vor der Stadt standen, kamen truppweise herein und verbrüderten
sich mit dem Volke; die Garde aber steckte die von den Parisern ange-
nommene blau-roth-weiße Kokarde auf und ging förmlich zum Volke über.
Die Masse zog zu der Bastille, eine alte, zum Gefängniß für Staats-
verbrecher benutzte Festung, die aber unter Ludwig Xvi. aufgehört hatte,
ein Kerker schuldloser Gefangenen zu sein. Es lastete aber noch der
Haß von Jahrhunderten auf dieser ehemaligen Zwingstätte tyrannischer
Herrschaft. In derselben befehligte Launay über 80 Invaliden und
30 Schweizer. Er wollte sich schon bei der ersten Aufforderung ergeben
und wurde nur durch einen Schweizerofficier von der Flue davon ab-
gebracht. Die Ketten der ersten Zugbrücke wurden von dem Volke un-
gehindert zerhauen; als sich aber die Masse in den Hof gegen die innere
Zugbrücke drängte, gaben die Invaliden Feuer, und die Stürmenden prallten
zurück. Eine Friedensgesandtschaft vom Rathhause bewirkte Einhalt. Als
sich das Volk wieder an die Brücke drängte, ließ Launay abermals
schießen. Nun schreien alle Verrath; die Gesandtschaft zieht ab; Gewehre
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Neckers Camille_Desmoulins Ludwig_Xvi Ludwig Launay
692
Girondisten heftig widersprachen und einleuchtend darthaten, daß es des-
ser sei, die Bastille und die Lettres de Cachet wieder herzustellen. Dan-
ton wollte die Debatte über das Rev o luti ons tribuna l in der Abend-
sitzung erneuern und mit Ermordung der widersprechenden Deputaten
schließen. Besoldete Haufen besetzten am Abend die Gallerten des Con-
vents, um auf ein gegebenes Zeichen die Girondisten zu ermorden; an-
dere Banden durchzogen die Straßen, um die Ausgebliebenen und Ent-
ronnenen niederzumachen. Die Girondisten, von der ihnen drohenden
Gefahr benachrichtigt, besuchten aber die Abendsitzung nicht. Nun ging
zwar der Beschluß wegen des Revolutionstribunals durch, und
Marat konnte ungehindert die Richter aus Septembermördern bestellen;
aber die Ermordung der Girondisten mißlang. Ein heftiger
Platzregen trieb die in den Straßen vertheilten Banden aus einander
und der Kriegsminister Beurnonvilie durchzog mit einem Bataillon Natio-
nalgarden die Stadtviertel, von welchen die Hauptbewegung ausgehen
sollte. Am andern Tage sprach ganz Paris von der verunglückten Ver-
schwörung; der eigentliche Verlauf blieb jedoch im Dunkeln.
Abfa°ll^und^ Nach dem Siege Dumouriez's bei Jemappes war Belgien
Fluchr. besetzt und eine Verwaltung nach dem Muster der französischen angeord-
net worden. Da die Belgier aber ihre alte Verfassung und Einrichtun-
gen zu behalten wünschten, so wurden einige Conventsgliedec nach
Brüssel geschickt, und diese brachten durch Bearbeitung der unteren
Volksklassen eine Bittschrift der Belgier um Vereinigung mit Frank-
reich zu Stande. Der Convent erfüllte natürlich den Wunsch. Nun
formirten sich die belgischen Sansculotten zu einer Legion und feierten
in Brüssel die Vereinigung durch ein Fest, an dem sie mit Kanonen
durch die Straßen zogen und alle Wappenschilder und eine Menge von
Denkmälern und Meisterwerken der Kunst zerstörten. Dumouciez begab
sich zu Anfang des Jahres 1793 nach Paris, um für die Rettung Lud-
wigs Xvi. zu wirken, mit einigen Orleanisten und Girondisten Verab-
redungen über die Herstellung einer ,verfassungsmäßigen Monarchie zu
nehmen und nebenbei Vorstellungen zu Gunsten der Belgier zu machen.
Dumouriez erreichte seinen Zweck nicht, sondern erhielt von dem
Convent den Befehl, Holland zu erobern. England hatte sich mit
Oestreich und Preußen verständigt, Sardinien, Spanien und im
Juli auch Neapel traten in die Coalition. Nach dem Kriegsplan
der Verbündeten sollten die Preußen nebst dem einen Theil der Reichs-
armee über Mainz, die Oestreicher mit dem anderen über Belgien, die
Engländer und Holländer aber an der flandrischen Küste her in Frank-
reich einfallen. Noch ehe die beiden Letzteren ins Feld rückten, brach
Dumouriez gegen Holland auf. Ec war anfangs glücklich, und die
Festungen Breda und G ertc uyd e n b urg fielen in seine Hände. Aber
die Oestreicher entsetzten nicht nur das von den Franzosen belagerte
Maastricht, sondern bedrohten auch das französische Hauptheer, welches
in Holland eingedrungen war, in seinem Rücken. Ebenso geschah dieses
durch ein preußisches Heer unter dem Herzoge Friedrich von Braun-
schwei g-Oels. Auch waren mittlerweile die Engländer gelandet
und rückten gegen Dumouriez heran. Dieser mußte die Unternehmung
gegen Holland aufgeben und sich nach Belgien zurückziehen. Dumouciez
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T74: [Frankreich England Spanien Krieg Frieden Rußland Italien Holland Preußen Deutschland], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier]]
TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T176: [Frankreich England Rußland Deutschland Preußen Krieg Italien Spanien Schweden Holland], T170: [Schlacht Leipzig Franzose Preußen Napoleon Heer Herzog Ferdinand Jena Braunschweig], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Extrahierte Personennamen: Beurnonvilie Jemappes Dumouciez Dumouriez Dumouriez Friedrich_von Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Paris Belgien Brüssel Paris Holland Sardinien Spanien Neapel Mainz Belgien Frank- Holland Breda Maastricht Holland Holland Belgien
665
General, daß er am 19. Zum mit seiner Familie in einem großen, für
diesen Zweck erbauten Wagen von Paris abreisen und seinen Weg über
Chalons und Varennes nehmen wolle; er befahl ihm, auf dieser Straße
in mäßigen Entfernungen Eskorten von Linientruppen zur Deckung seiner
Reise zu legen. Vergebens schlug ihm Bouille einen zweckmäßigeren
Weg über Rheims vor und setzte auseinander, daß ein ungewöhn-
licher Wagen Aufsehen erregen, und daß Escorten dieses Aufsehen noch
vermehren würden. Der König beharre hartnäckig auf seinem Einfalle,
und Bouille traf die verlangten Anstalten. Die Abreise wurde verscho-
den, weil Frau von Tourzel, die Gouvernante der königlichen Kinder,
fußfällig bat, ihre Zöglinge begleiten zu dürfen. In der Nacht zum
21. Juni entkam die königliche Familie verkleidet aus dem Schlosse und
fuhr in zwei gewöhnlichen Wagen bis Bondy, wo die große Reisekutsche
bereit stand. Das weibliche Gefolge wurde in einem zweiten Wagen
untergebracht, und drei, wie Vorreiter gekleidete, Leibwächter nahmen
die Vordersitze ein. In Sommeville fand der König die Escorte
nicht, die ihn dort in Empfang nehmen sollte. Er hatte unterlassen,
dem General Bouille den Aufschub der Abreise zu inelden, und der Be-
fehlshaber der ersten Escorte hatte sich in der Meinung, die Abreise deß
Königs sei verunglückt, auf den nächsten Posten zurückgezogen. Die
rückgängige Bewegung der Truppen und daß Hin - und Herreiten der
Ofsiciere erregten Ausseben und nahmen dem Vorwände, daß ein be-
deutender Geldtransport geleitet werden solle, alle Wahrscheinlichkeit.
In ängstlicher Stimmung kam der König am Abend des 22. Juni nach
St. Menehould. Als er hier zum Wagen heraussprechend die Ab-
fahrt zu beschleunigen suchte, wurde ec an der Aebnlichkeit seines Ge-
sichts mit dem auf den Assignaten befindlichen Bildnisse von dem Post-
meister Drouet erkannt. Dieser jagt nach der nächsten Station
Varennes voraus und benachrichtigt die Municipalität von seiner
Entdeckung. Zwar sind untecdeß die von tödtlicher Unruhe getriebenen
Reisenden angekommen und haben durch gespendetes Gold die Postillone
zum Weiterfahren bewogen; aber Drouet läßt an der nach Montmedy
führenden Brücke einen Wagen umwerfen und dadurch die Straße
sperren. Als die Leibwächter absteigen, um den Wagen bei Seite zu
schaffen, tritt Drouet mit einigen Leuten an die Kutsche und gebietet zu
halten. Die Leibwächter sind entschlossen, Gewalt mit Gewalt zurückzu-
weisen; aber der König erschrickt vor dem Gedanken an Widerstand und
giebt sich wenigen unbewaffneten Bürgern gefangen. Ec wird in das
Haus des Gemeindevorstehers geführt. Als er sieht, daß er erkannt ist,
fällt er dem Beamten und anderen Umstehenden uin den Ha's und bit-
tet flehendlich, die Fortsetzung seiner Reise nicht zu hindern. Aber seine
Bitten sind vergebens. Eine der Escorten, die sich, eine Stunde nach
der Verhaftung, in Varennes einfindet, stellt sich vor dem Hause aus
und macht Miene, den König zu befreien; aber der Befelshaber der
Nationalgarde des Städtchens ermahnt sie zum Gehorsam gegen das
Gesetz, und sie verhält sich ruhig. Unterdeß ist Bouille, von dem
Geschehenen benachrichtigt, mit einem Dragonerregiment biß nahe an
Varennes herangekommen. Er ist bereit, den König mit Gewalt ju be-
freien; aber der gutmüthige Ludwig läßt sich durch die Bitten derer,
die ihn gefangen halten, und durch seine Furcht vor Blutvergießen be-
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter]]
Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Paris Rheims Bondy Montmedy
672
Ausbruch des
Kriegs gegen
Oestreich.
Auflösung der
Leibwache.
Entlassung
desgirondisti-
schen Mini-
steriums.
zeichen. Einen entschiedenen Gegensatz zu ihm bildete der streng republi-
kanische, unbeugsame Roland, ein Freund schlichter Wahrheit und Ver-
ächter jedes Schmucks der Rede. Bei seiner schönen, geistreichen Ge-
mahlin, die schon als Jungfrau die Schriften Plutarchs dem Meßbuche
vorgezogen hatte und die den Glanz des untergegangnen Freiheitslebens
von Griechenland und Rom in ihrem Frankreich aufsteigen zu sehen
hoffte, begegneten sich die strebsamsten und begabtesten Männer der Gi-
ronde. Anfangs trug der Ceremonienmeister Bedenken, dem neuen Mi-
nister in seiner schlichten Kleidung beim Könige Zutritt zu gewähren, und
der Hof hielt den Staat für verloren, als Roland es wagte, mit run-
dem Hut und ohne Schnallen auf den Schuhen in den Tuilerien zu
erscheinen. Die dienstbaren Geister in den Vorgemächern des Königs
nannten daß neue Ministerium ein sanßcu lottisch es.
Kaiser Leopold starb nach einer kurzen Krankheit am 1. März
1792, und es folgte ihm sein Sohn Franz Ii. Als bei dessen Regie-
rungsantritt Fürst Kaunitz derber als zuvor über die Jakobiner sich
äußerte und die volle Wiederherstellung des französischen Königthums
verlangte, bewogen die französischen Minister Ludwig Xvi. sich in die
Versammlung zu begeben und auf Krieg gegen Oestreich anzutragen.
Mit allgemeinem Jubel wurde der Antrag angenommen. Wenige Tage
nach der Kriegserklärung wurde der Feldzug durch den Einfall mehrerer
französischen Heerhaufen in die Niederlande eröffnet. Ein Corps, welches
von Lille aus Tournay überrumpeln wollte, wurde von den Oestreichern
in die Flucht geschlagen. Um die Schande ihrer Flucht zu verdecken,
schrien die Soldaten über Verrath und ermordeten in Lille den General
Dillon, der sie geführt hatte. Unmittelbar nach dem schändlichen Auf-
tritte in Lille nahm der Marschall Rochambeau, der den Oberbefehl
über die Nordarmee führte, den Abschied, und ganze Regimenter gingen
zu den Ausgewanderten über. Von den eigentlich französischen Linien-
regimentern thaten dies wenigstens sehr viele Offieiere, welchen ihre
Stellung bei der Zügellosigkeit und dem frechen Ungehorsam der Ge-
meinen widerwärtig geworden war.
Die Gerüchte und Anklagen gegen den König vermehrten sich. Hau-
sen des niedrigsten, von den Parteihäuptern besoldeten Pöbels zogen,
mit Piken, Dolchen und Flinten bewaffnet, vor die Tuilerien, pflanzten
an dem Thore dieses Schlosses die dreifarbige Fahne und die Jakobiner-
mütze auf, und forderten, unter Schimpfreden gegen den König und die
Königin, die Leibwache zum Kampfe heraus. Die Leibwache von 1800
Mann hatte ihr Befehlshaber Brissac, ein eifriger Anhänger der alten
Ordnung, aus solchen, die seine Gesinnung theilten, zusammengesetzt
und die Offieiere wie die Gemeinen mochten wohl die Ungezogenheiten,
die täglich gegen sie und den König begangen wurden, zuweilen an Un-
schuldigen gestraft haben. Am 30. Mai erhob der Jakobiner Bazire
eine Anklage gegen die Garde und beantragte ihre Auflösung und die
Verhaftung deß Befehlshabers Brissac. Daß Decret wurde abgefaßt
und vom König bestätigt. Brissac wurde nach Orleans vor den Gerichts-
hof abgeführt und mit dessen übrigen Gefangenen einige Monate nachher
ermordet. Während der König mit furchtsamer Bereitwilligkeit seine Be-
schützer preisgab, versagte er standhaft einem Deerete seine Genehmigung,
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre]]
Extrahierte Personennamen: Oestreich Roland Roland Leopold Leopold März Franz_Ii Franz Kaunitz Ludwig_Xvi Ludwig Dillon Brissac
Extrahierte Ortsnamen: Griechenland Rom Frankreich Niederlande Lille Lille Lille
674
Erstürmung
der Tuilerien.
Abseyung des
Königs.
auf dem Kopfe und trinkt mit den Wortführern aus einer Flasche auf
die Gesundheit der Nation. Seine wiederholten Redenanfänge: „Ich habe
die Constitution beschworen und ich werde sie halten," werden immer
durch den Zuruf unterbrochen, daß man das schon oft gehört habe
und nicht glaube. Abgeordneten der Nationalversammlung, die daß
Volk zum Abzüge bewegen wollen, wird zugerufen: ,,Schweigt, ihr
Schwätzer!" In einem anderen Zimmer setzte die Königin dem unge-
zogenen Betragen des um sie versammelten, besonders aus Weibern be-
stehenden Pöbels einen trotzigen Muth entgegen. Die längere Dauer
des seltsamen Auftritts hatte die Volkswuth abgekühlt. Da wurde auf
den Schultern zweier Grenadiere der Maire Petion hereingetragen.
Seinem Zureden gelingt es, die Masse zum Abzüge zu bewegen. Aber
erst Abends um zehn Uhr war das Schloß von feinen rohen Gästen be-
freit, da gegen 40,000 Menschen durch die lange Reihe der königlichen
Zimmer zogen.
Ueber diese schändlichen Auftritte gab sich allgemeiner Unwille
kund. Zwanzigtausend angesehene Bürger von Paris drangen in einer
Addreffe auf Bestrafung der Anstifter, und aus den größeren Städten
des Reichs liefen Zuschriften ein, in welchen die stärksten Versicherungen
der Treue für den König, die entschiedensten Erklärungen gegen das Trei-
den der Jakobiner ausgesprochen waren. Einen auffallenden Schritt
that La Fayette, indem er ganz unvermuthet nach Paris kam itnb
der Nationalversammlung erklärte, daß die letzten pariser Vorgänge con-
stitutionswidrig seien, und daß die Soldaten seiner Armee gegen die
Urheber einen patriotischen Ingrimm empfänden. La Fayette erwartete,
der Hof werde in ihm seinen Retter erblicken und die allgemeine Stim-
mung für geeignet halten, um einen kühnen Schritt gegen die Jako-
biner zu thun; er bildete sich ein, durch den Eindruck seiner persönlichen
Erscheinung diese Partei niederzuschmettern. Allein der Hof empfing ihn
mit eisiger Kälte, und die Jakobmer fürchteten einen General ohne Ar-
mee nicht. Sie fragten nach seiner Befugniß, ohne Erlaubniß des
Kriegsministers die Armee im Angesichte deß Feindes zu verlassen und
nach Paris zu kommen. Am Ende mußte La Fayette froh sein, nach
zwei Tagen ganz unverrichteter Sache zur Armee zurückkehren zu können.
Die Jakobiner hatten an den von den Girondisten veran-
laßten Vorgängen des 20. Juni die Halbheit ihrer Nebenbuhler
und zugleich die Leichtigkeit erkannt, mit der sich die Tuilerien durch
einen entschlossenen Angriff würden einnehmen lassen. Ihr Treiben
wurde daher immer geschäftiger und sie bereiteten einen Sturm gegen
die Tuilerien vor. Den Freunden und Dienern des Königs blieb das
nicht unbekannt, und sie drangen in den König, sich mit seiner Familie
von Paris zu entfernen. Aber der König verwarf die ihm vorgelegten
Pläne eben so wie den erneuerten Vorschlag La Fayette's, nach welchem
sich der König unter den Schutz der Armee begeben sollte. Die Redner-
bühnen der Nationalversammlung und der Klubs ertönten immer hefti-
ger von den wachsenden Gefahren des Vaterlandes und von dem Ein-
verständnisse des Hofes mit den Feinden. Vergebens ließ der König
selbst der Nationalversammlung die Anzeige machen, daß an einem An-
griffe von Seiten Preußens nicht mehr zu zweifeln sei; vergebens über-
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
676
Die Vertheidiger der Tuilerien sind nun ohne Anführer; denn Mandat
hat in der Meinung, sogleich wieder zu kommen, keinem Osfieier daß
Commando übergeben. Dennoch schallt dem Könige, als er um fünf
Uhr, von einigen Stabsofficieren begleitet, die Posten vor dem Schlöffe
besucht, von den meisten Bataillons mit dem Trommelgruß ein lauter
Zuruf entgegen; nur ein einziges Bataillon und die Kanoniere rufen der
Nation Lebehoch. Als die Sturmglocken ertönen und die Aufrührer an-
rücken, öffnet das zweideutig gesinnte Bataillon einem Haufen den Durch-
gang. Die übrigen Vertheidiger wissen nicht, ob sie dem weiteren An-
dränge Gewalt entgegensetzen sollen, und um acht Uhr ist der Carrousel-
platz vor dem Schlosse ganz mit Pöbel angefüllt, die Verwirrung, das
Geschrei fürchterlich, die Pöbelmasse bereit, jeden Augenblick in das Schloß
einzudringen.
Der König befand sich mit seiner Familie, von ein Paar hundert
Edelleuten und Nationalgardeu umgeben in einem Saale des Schlosses.
In diesen trat der Procureur-Syndie Röder er und erklärte: „Die Ge-
fahr sei aufs höchste gestiegen; der König mit seiner Familie könne nur
dadurch dem gewissen Tode entgehen, daß er sich in die National-
versammlung flüchte." Anfangs widersetzte sich Marie An toi-
nette, weil sie die Absicht des Vorschlags durchschaute, den König ganz
in die Hände der Versammlung zu liefern; endlich erklärte sie sich bereit,
auch dieses letzte Opfer zu bringen. Von Schweizern und Nationalgac-
den geleitet, gelangte die unglückliche königliche Familie bis zum Ein-
gänge des Saals der Nationalversammlung. Hier aber verweigerte der
Pöbel den Durchgang, unter den gröbsten Schimpfreden und Drohun-
gen, bis einige Beamte es dahin brachten, daß der König mit seiner
Familie in den Saal eintreten durften. „Ich bin gekommen, sprach
Ludwig Xvi. zum Präsidenten Vergniaud, um ein großes Ver-
brechen zu verhüten; in der Mitte der Vertreter des Volks werde ich
mich sicher fühlen; hier will ich bleiben, bis die öffentliche Ruhe wieder
hergestellt ist." „Sire, entgegnete Vergniaud, die Nationalversamm-
lung kennt ihre Pflichten, zu denen vor allen Dingen die Erhaltung
der verfassungsmäßigen Regierung gehört." Der König setzte sich nun
zur Linken deß Präsidenten, auf den Lehnstuhl, den er sonst einzunehmen
pflegte; aber Chabot, ein ehemaliger Kapuziner, stellte den Antrag,
daß sich der König in den Saal eines der Ausschüsse begeben möge,
weil man in seiner Gegenwart mit der Berathung nicht fortfahren könne.
Die Girondisten vermutheten, daß Chabot dadurch dem Pöbel den Weg
zum Morde bahnen wolle, und erreichten es, daß der König die kleine,
mit eisernen Gittern versehene Loge eines Zeitungsschreibers einnehmen
solle. In diesen engen Raum begab sich die königliche Familie mit zwei
Ministern und einigen Anhängern.
Plötzlich wurde Kanonendonner und Kleingewehrfeuer vernommen.
Der König hatte es bei seinem Weggange aus dem Schlosse versäumt,
den Vertheidigern desselben den Befehl zum Abzüge zu ertheilen. Die
Nationalgarde und die meisten Royalisten hatten sich entfernt;
aber die Schweizer, als Soldaten an strenge Dienstordnung gewöhnt,
warteten auf Verhaltungßbefehle. Da fällt ein Haufe Pikenmänner das
Commando am Fuße der großen Treppe an, reißt mit Feuerhaken fünf
Mann aus den Reihen und schlägt sie mit Keulen und Flintenkolben
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
Extrahierte Personennamen: Marie Ludwig_Xvi Ludwig
677
tobt. Bei diesem Anblick gerathen die Krieger in Wuth und geben Feuer
auf die Rebellen; mehrere der letzteren fallen, die übrigen ergreifen die
Flucht, mit Wegwerfung ihrer Waffen und Zurücklassung der mitgebrach,
ten Kanonen. In wenigen Minuten ist der Schloßplatz und der Car-
rouselplatz vom Pöbel gereinigt, -und auch auf der anderen Seite des
Schlosses wird die anstürmende Pöbelmaffe zurückgeschlagen. Sobald in
der Nationalversammlung der Stand der Dinge bekannt wird, sprechen
mehrere Abgeordnete ihren Unwillen aus, daß den Schweizern Mord-
befehle ertheilt sind. Ein Minister betheuert das Gegentheil, Ludwig
selbst ruft überlaut, er habe alles Schießen verboten, und sendet sogleich
einen Adjutanten an die Vertheidiger des Schlosses. Dieser ruft die auf
der Gartenseite der Tuilerien aufgestellten zweihundert Schweizer in die
Nationalversammlung, und sie leisten Folge.
Auf der Vorderseite erneuern die Banden der Jakobiner, von
West er mann, einem Deutschen und Freunde Dantons, angeführt, den
Angriff. Die dort aufgestellten Krieger werden von den Eingedrungenen
nun auch im Rücken gefaßt und überwältigt. Achtzig Schweizer stehen
an der großen Treppe in tapferer Gegenwehr, bis der letzte Mann ge-
fallen ist. Ihr Bannerträger, von Montmorin, wickelt, aus vielen
Wunden blutend, die Fahne um sich, sinkt nieder und haucht sein Leben
aus. Einige Schweizer werden lebendig aus den Fenstern gestürzt und
von den Untenstehenden mit Piken aufgefangen. Mit und nach den
Schweizern werden die Bewohner des Schlosses, ohne Unterschied des
Ranges, des Alters und des Geschlechts ermordet. An den Leichnamen
üben furienmäßige Weiber durch Entkleidung ihre scheußliche Lust. Aus
den Fenstern des Schlosses wirbelt die Flamme, und nur mit Mühe
wird man der um sich greifenden Flamme Meister. Als es nichts mehr
zu morden giebt, beginnt das Gesindel zu plündern; die prachtvollen
Geräthschaften werden zertrümmert, und in wenigen Stunden sind alle
Gemächer deß Palastes in Stätten der Verwüstung und des Elends ver-
wandelt. In den zerstörten Prunkzimmern, zwischen nackten Leichnamen
werden wüste Trinkgelage angestellt. Männer, welche Köpfe der Ermor-
deten auf den Piken tragen, durchziehen die Gassen.
In die Nationalversammlung drang ein Trupp zerlumpten
Pöbels nach dem andern und fordert die Absetzung des Treulosen, der
sich zum Verderben des Volks mit fremden Mächten verschworen und
jetzt das Blut der Vaterlandsfreunde vergossen habe. Mit pathetischen
Worten und mit einem von allen Abgeordneten einstimmig gesprochenen
Eid, das Vaterland retten zu wollen, antwortet die Versammlung. Ab-
geordnete des neuen Bürgerraths erschienen, meldeten, daß die
Commune die bewaffnete Macht unter den Befehl Sanier re's gestellt,
und verlangten die Absetzung des Königs und die Berufung eines
Nationalconvents. Die Versammlung war schwach genug, mit Bei.
fallsbezeigungen zu antworten, und überließ dadurch die Zügel der an-
gemaßten Herrschaft verwegenern Anmaßern. Die Versammlung schwor,
der Freiheit und Gleichheit bis zum Tode treu zu bleiben, und erließ
ein Decret, daß das französische Volk einen Nationaleonvent bilden, das
Oberhaupt der vollziehenden Gewalt vorläufig von seinem Amte entbun-
den und die Beschlüsse durch einen Vollziehungsrath ausgeführt werden
sollten. Dem schrecklichen Danton wurde das Ministerium der Justiz
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe]]
TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
689
im Tempel ein. Die Tröstungen der Religion stärkten Ludwig wieder,
und er genoß die ganze Nacht einen ruhigen Schlaf.
Am Morgen des 21. Januar (1793) stand Ludwig um fünf Uhr
auf. Er übergab Edgeworth, der nicht von ihm gewichen war, sein
Testament, beichtete, empfing knieend, während grobe Geschütze durch
die Straße rasselten, das heilige Abendmahl und den Segen. Um neun
Uhr erschien Sanier re, von Municipalen und Gensdarmen begleitet.
Mit Edgeworth und zwei Gensdarmen bestieg der König eine Lohnkutsche
und betete seinem Beichtvater auf dem einstündigen Todeszuge die vor-
gesprochenen Psalmen nach. Langsam fuhr der Wagen durch die mit
Truppen und Geschützen und einer dichtgedrängten Volksmenge bedeckten
Straßen. Auf dem R ev o lu tio ns pl a tze, den Tuilerien gegenüber,
am Fußgestelle der zertrümmerten Bildsäule Ludwigs Xv., war das
Blutgerüste aufgeschlagen. Die Miene des Königs war bisher ernst,
aber ruhig gewesen. Aber als der Henker und dessen Gehülfen ihn an
der Treppe des Gerüstes empfingen und ihn des Rockes entkleideten,
schien er erschüttert. Da sagte Edgeworth zu „Sohn des heiligen
Ludwig, steige gen Himmel," und festen Schrittes ging Ludwig die
Stufen hinauf. Oben angelangt, betrachtete ec die Volksmasse und
warf einen Blick auf die Tuilerien hinüber. Als ihn die Henker ergrif-
fen, um ihm das Sünderkleid anzulegen, die Haare abzuschneiden und
die Hände auf den Rücken zu binden, wollte ec das letztere nicht ge-
schehen lassen, fügte sich aber, als der Priester sagte, daß ec durch daß
Binden dem Heilande ähnlicher werde. Dann trat er an den Rand des
Gerüstes, winkte der Kriegsmusik Schweigen und sprach mit lauter
Stimme: „Franzosen, ich sterbe unschuldig, ich vergebe meinen Feinden,
wünsche, daß mein Tod" — Trommelwirbel auf Santerre s Befehl, der die
Rührung des Volkes bemerkte, übertönten die letzten Worte. Daß Haupt
fiel unter dem Fallbeil, und als es der Nachcichter emporhob, ertönte
daß Geschrei: „Es lebe die Nation, es lebe die Freiheit!" Gleich nach
der Hinrichtung tanzte der Pöbel um das Blutgerüste. Am Abend wa-
ren die Schauspielhäuser gedrängt voll, und nach drei Tagen sprach
man in Paris nicht mehr von der schrecklichen That. Die königliche
Familie saß um ein Psalmbuch; daß Freudengeheul der Rotten verkün-
dete ihr, daß das Haupt ihres Vaters gefallen sei. Marie Antoinette
stürzte auf die Kniee und sprach ein Gebet.
Im Anfange der französischen Revolution war die englische Verfas-
sung als Muster und Vorbild gepriesen worden, und die Männer der
Bewegung hatten auf die Freundschaft Englands gerechnet. Diese
Achtungsbezeigungen wurden von vielen neuerungssüchtigen Engländern
erwiedert. In vielen englischen Städten bildeten sich Volksgesell--
schaften oder Whigklubs, welche die Begebenheiten in Frank-
reich durch Gelage, Reden und Trinksprüche verherrlichten. Vornehm-
lich ergossen sich die beiden großen Oppositionsredner Fox und Sheri-
dan in begeisterten Lobpreisungen der Revolution. Desto größeres Ec-
staunen erregte es, daß Burke, welcher der amerikanischen Revolution
mit Begeisterung daß Wort geredet hatte, von seinen bisherigen Freunden
und Meinungsgenossen abwich und im Parlamente mit den heftigsten
Erklärungen gegen die neufranzösische Freiheit und deren unbesonnene
44
Das Verhal-
ten Englands
und Spaniens
zur französi-
schen Revo-
lution.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwigs_Xv. Edgeworth Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Marie_Antoinette Burke
Extrahierte Ortsnamen: Bildsäule_Ludwigs Paris Englands Frank- Englands Spaniens
715
stoßen, wenn der Convent diesen nicht sogleich in Anklagestand versetze."
Vergeblich waren alle Anstrengungen Robeßpierre's, zu Worte zu kom-
men. Einem Rasenden gleich forderte er brüllend das Wort oder den
Tod. Alle seine Anstrengungen übertönte das Geschrei: „Nieder mit
dem Tyrannen!" Es folgte Anklage auf Anklage, Schlag auf Schlag,
und ihm selbst öffnete sich jetzt der Abgrund, in den er Freund und
Feind gestürzt hatte. Vergebens erwartete Nobespiecre eine Volksbewe-
gung, vergebens redete er den Pöbel der Gallerien an, vergebens wandte
er sich an die Mitglieder der gemäßigten Mitte, die er so oft Kröten
des Sumpfes gescholten hatte. Endlich versagte ihm die Stimme und
keuchend sank er auf eine Bank nieder. Durch allgemeines Aufstehen
wurde das An kl agedecret angenommen. „Ich verlange, das
Schicksal meines Bruders zu theilen", rief der jüngere Robespierre,
und sogleich wurde auch dieser, sowie Couthon, Saint Just und
Le das in Anklagestand versetzt. Die Gensdarmen nahmen sie in Empfang
und führten sie ab; aber an der Thür des Gefängniffes wurden sie
durch einen Haufen bewaffneter Jakobiner befreit und im Triumphe
aufs Rathhaus geführt, wo die ihnen ergebene Commune versammelt
war. Auch Henriot, der Commandant der bewaffneten Macht, der
noch vor Robespierre in Anklagestand versetzt und verhaftet worden war,
wurde wieder befreit. Mit Schrecken vernahm der Convent, daß die
Befreiten Anstalten träfen, die bewaffnete Macht zu versammeln und
gegen den Convent heranzuführen. Alsbald erklärte der Convent Robes-
pierce und dessen Mirschuldige sowie die Commune und jeden Beamten,
der die Geächteten gegen den Convent unterstützen werde, außer dem
Gesetz, ernannte Barras zum Commandanten der bewaffneten Macht
und schickte einige Deputirte ab, um die Sectionen zu versammeln und
für den Convent zu bewaffnen. Legendre schloß mit Bewaffneten den
Jakobinerklub; Barras rückte mit vier bis fünf Bataillonen gegen das
Rathhaus heran.
Die Geächteten hatten durch Zaudern die kostbare Zeit verloren. Ro-
bespierre befand sich in einem Zustande dumpfer Betäubung; Henriot
war betrunken und ohne Besinnung. Ais Barras 11 Uhr Abends mit
seinen Bewaffneten die nach dem Rathhause führenden Straßen besetzen
und das Aechtungsdecret des Convents verlesen ließ, stob die vor dem
Stadthause versammelte Menge auseinander, und es ertönte der Ruf.
„Es lebe der Convent!" Die Thüren des Rathhauses wurden einge-
schlagen; ein Pistolenschuß zerschmetterte Robespierre die Kinnlade;
Lebas nahm sich durch einen Schuß das Leben. -Couthon, welcher
sich durch Messerstiche zu tödten abmühte, versteckte sich unter einem
Tilche. Coffinhal, der Vicepräsident des Revolutionstribunals, schalt
Henriot den Urheber deß Unglücks und warf ihn zum Fenster hinaus;
ihm nach stürzte sich der jüngere Robespierre. Die übrigen hatten
sich in die dunkelsten Winkel verkrochen, aus denen sie nach und nach
hervorgezogen wurden. Beim Anbruch des Tages (28. Juli 1794) er-
fuhr der Convent seinen Sieg und schloß um fünf Uhr seine denkwür-
dige Sitzung.
Die Geächteten wurden alsbald vor das Revolutionstribu-
nal geschleppt. Mit einem in der Eile gemachten Verbände lag Ro des-
pie r re sprachlos auf einer Tischplatte. Da soll ein Mann aus dem
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778
Derkampfum
Deutschlands
Befreiung
1813.
Mortier erhielt den Befehl, bevor er mit dem Nachtrab abzöge, den
Kreml durch angelegte Minen in die Luft zu sprengen, und wirklich ging
ein Theil des kaiserlichen Palastes in Flammen auf. Anfangs suchte
Napoleon einen anderen Heimweg, als den nun verödeten, auf welchem
er gekoinmen war, und durch ein siegreiches Gefecht brach er sich Bahn.
Aber nach langem Bedenken faßte er, auf den Rath seiner Generale,
den Entschluß, die eingeschlagene Richtung wieder zu verlassen und auf
dem früheren Wege zurückzukehren. Mit der ungeheuren in Moskau ge-
raubten Beute belastet bewegte sich der französische Heereszug lang-
sam vorwärts, durch Landschaften, welche, an und für sich karg an-
gebaut, durch Freund und Feind der Verheerung preisgegeben waren.
Rachefreudig erhob sich ganz Rußland; aus der Nähe und Ferne ström-
ten Jünglinge und Männer unter die Fahnen Kutusows. Leichte Reiter
umschwärmten die Abziehenden, eilten ihnen voran und verödeten die
Landschaften. Immer fühlbarer wurde im Heere Napoleons der Mangel
an Kleidungsstücken und Lebensmitteln. Noth brach den Gehorsam; der
alte Muth und Siegesstolz war von den französischen Adlern gewichen.
Haufen von Leichen bezeichneten die Straße des Rückzuges. Kosacken
ermüdeten durch rastlose Angriffe, trennten die Heerestheile von einan-
der, griffen die Versprengten auf. Es war ein harter Kampf mit den
rachelustigen Russen, härter noch mit der vernichtenden Gewalt des rus-
sischen Winters. Mit dem Anfange deß Novembers stellte sich eine un-
gewöhnliche Kälte ein. Wie ein Leichentuch hatte sich der Winter über
die öde Landschaft gelegt, über welche bleiche, abgemagerte Gestalten
auf dem nämlichen Wege hinzogen, auf dem sie vor kurzem siegesstolz
vorgedrungen waren. Unter den Reitern und vor den Geschützen brachen
die Pferde zusammen; immer heftiger wüthete der Hunger; man pries
den glücklich, der, in der Nacht von der Kälte getödtet, am Morgen
nicht wieder erwachte.
Bei dem Ueber gang über die Beresina, der am 26. Novem-
der begann, erduldeten die Franzosen das höchste Maß des Jam-
mers, der den Menschen im Kriege treffen kann. Auch der Ueberreft
des Heeres, der am Flusse Beresina gegen zwei aus dem Süden
und Norden herbeigezogene Heere mit bewunderungswerther Tapferkeit
gestritten hatte, löste sich von da biß Wilna in ungeordnete, waffenlose
Haufen auf. Im Ganzen kehrten zwar 30 bis 40,000 Mann über den
Niemen nach Preußen zurück; diese waren aber ohne Ordnung und Füh-
rung und zerstreuten sich bald nach allen Seiten hin Napoleon mit
allen seinen Marschällen entrann dem Untergange, und die in Polen
und Preussen stehenden Streitkräften erhielten noch das Schreckbild einer
französischen Kriegsmacht. Auch die Russen hatten durch die Anstren-
gungen der Verfolgung und die strenge Kälte sehr gelitten. Napoleon
verließ schon vor Wilna seine Kriegsgefährten und eilte in einem Schlit-
ten über Wilna und Warschau nach Dresden und von da in möglichster
Eilfertigkeit nach Paris. Hier war, zwei Monate früher, am 23. Okto-
der, von dem republikanisch gesinnten General Maltet der Versuch ge-
macht worden, den kaiserlichen Thron umzustürzen und die Republik her-
zustellen. Das Unternehmen war aber gescheitert.
Napoleon verhehlte sein Mißtrauen gegen das preußische Kabinet
und seinen Haß gegen das preußische Volk nicht. Im Jahre 1811 schien
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei]]
Extrahierte Personennamen: Mortier Napoleon Napoleons Muth Napoleon Napoleon Napoleon